Stay in contact 2015_7

Trevelin, 12.12.2015


Auch hier in Südamerika, sind die Vorgänge in Europa, wie die Anschläge in Paris oder die Einwanderungswelle in Österreich oder Deutschland, präsent. Immer wieder werden wir angesprochen, um unsere Sichtweise gefragt und wir hören die unterschiedlichsten Meinungen der hier lebenden „Auswanderer“.

 

Zu den Anschlägen von Paris fallen mir George Bernanos Worte ein, die viele Jahre Leitideen in meiner Arbeit mit Menschen waren und bis heute, für mich persönlich, geblieben sind. Die klarmachen, dass Menschen, die so etwas tun, die Verantwortung abgegeben haben und abgeschnitten sind von Gefühlen und damit dem Leben.


"Ich denke schon lange folgendes:"

"Wenn eines Tages die immer wirksamer werdenden Zerstörungstechniken schließlich dazu führen, dass unsere Spezies von der Erde verschwindet, dann wird es nicht Grausamkeit sein, die für unsere Auslöschung verantwortlich ist, und natürlich noch weniger die Entrüstung, die durch die Grausamkeit geweckt wird, oder die Vergeltungsmaßnahmen die daraus erwachsen...,

sondern die Schwäche, der Mangel an Verantwortung im modernen Menschen, seine falsche, unterwürfige Akzeptanz einer jeden Anordnung von oben.

Der Horror, den wir schon erlebt haben, und der noch größere Horror, den wir noch erleben werden, sind keine Anzeichen dafür, dass Rebellen, Menschen, die sich nicht unterwerfen, die sich nicht kleinkriegen lassen, in zunehmender Zahl auf der ganzen Welt zu finden sind, sondern eher, dass es eine konstant steigende Zahl von gehorsamen, schwachen Menschen gibt."

George Bernanos (französischer Schriftsteller)


Diese Worte bringen es auf den Punkt. Wir sind gefährlich, wenn wir uns der Eigenverantwortung für unser Verhalten, Denken und Fühlen nicht bewusst sind. Wenn nicht die Person die Verantwortung übernimmt, nicht die Gefühle wie Liebe, Einfühlungsvermögen, Skrupel, Angst das Handeln des Menschen bestimmen, sondern ein Staat oder eine Religion. Diese Individuen ein Werkzeug sind, gleich wie Roboter nichts spüren in ihrem Tun. Und diese Verantwortung tragen wir alle in uns, zu fragen, warum wir solche Angst vor der Persönlichkeit haben, es selbst zu werden oder unsere Kinder zu helfen eine solche zu entwickeln. Die Individualität, ob in Familie, Schule oder Beruf, immer noch als „Bedrohung“ der Ordnung oder Rebellentum gesehen wird und nicht als Stärke und etwas Erstrebenswertes. Sondern dass Menschen ihr Mensch sein und ihre Persönlichkeit aufgeben, sich anpassen um etwas Höherem zu dienen, wie jetzt im Moment im Osten und vor Jahren hier in Südamerika, wo unter dem Zeichen des Kreuzes ähnliches und vielleicht noch grausameres geschehen ist.


Nicht Helden sind das, sondern bedauernswerte Geschöpfe, die schon innerlich Tod sind, bevor sie sich in die Luft sprengen und der Körper den schon vorher abgestorbenen Gefühlen folgt. Die nichts mehr spüren und vermutlich jede Grausamkeit erklären und rechtfertigen können.


Die Entwicklung der Persönlichkeit zu fördern und sie zu entwickeln ist und war mein Anliegen über viele Jahre und ich fühle mich bestätigt in dem Wissen und der Erfahrung, dass ein Mensch der sich spürt, der seine Gefühle wahrnimmt, der fähig ist zum Ausdruck von positiven Gefühlen wie Liebe oder Freude aber auch sogenannten negativen Emotionen wie Ärger, Angst und Aggression, sich spürt und damit der Verrohung der Persönlichkeit entgegenwirkt. Gefühle machen lebendig und Selbst-Bewußtsein sich selbst bewußt der eigenen Handlungen.


Was mir Angst macht, sind nicht die bedauernswerten Menschen, wie oben beschrieben, sondern die Reaktionen darauf, dass wir noch mehr Überwachung brauchen, noch mehr Polizei, noch mehr Gesetze die uns „schützen“ sollen. Es macht Angst, wenn wir das zum einen selbst fordern bzw. es uns eingeredet wird, ohne uns Gedanken über persönliche Freiheit, eigene Entscheidungsfähigkeit und Gleichmacherei zu machen. Weil wir glauben das schützt und hilft uns, die eigene schon abgeschliffene Persönlichkeit von außen zu stärken. Welch ein Irrtum. Je stärker die Präsenz außen, je mehr wir „beschützt“ werden, umso mehr ist unsere Person schutzlos den Ängsten ausgeliefert, die geschürt werden und in uns zu Monstern werden, die wir irgendwann introizieren und dann auch noch glauben und immer wieder bestätigt haben wollen. Und genau das wollen die hinter diesen Anschlägen Verantwortlichen (und auch anderen die das nützt) ja vielleicht...


...und parallel gibt es da noch ein Problem.


Interessant sind hier in diesen „typischen Einwanderungsländern“ die Meinungen der Menschen zu den Einwanderungsvorgängen der letzten Wochen in Europa. Viele verstehen nicht, warum es keine Regeln gibt und sehen große Probleme auf Europa zukommen. Das hat zum einen damit zu tun, dass es hier kaum politische, sondern fast nur Wirtschaftsimigranten gibt, zum anderen hier man viel über Einwanderung versteht und hier auch aus der eigenen Erfahrung heraus die Probleme kennt. Nichts desto trotz oder gerade deswegen haben die Argumente der hier Außenstehenden eine Berechtigung und ergeben eine fruchtbringende Diskussion.


Und hier beginnt schon meiner Meinung nach das Problem in Europa. Es wird viel mehr das - wer Recht hat in der Argumentation – in den Vordergrund der Diskussion gestellt als das Problem selber. Wenn Probleme, die alle betreffen von Parteien (das trennt schon) gelöst werden sollen, kann es nur schiefgehen. Da fühlen sich die einen aufgerufen dafür oder dagegen zu sein, und merken nicht dass es darum nicht geht. Dieses Verhalten verhindert eine Lösung des Problems auf breiter Basis, für die Flüchtlinge und für die betroffene Bevölkerung genauso. Da sind die einen, die Guten und die anderen die Bösen. Austauschbar in der Handlung, da es um die ja nicht geht. Viel mehr um das Recht haben in der Argumentation um die Befriedigung der eigenen Eitelkeit, des eigenen Egos. Auf der Strecke bleibt die breite Diskussion und Lösung in der alle Argumente sein dürfen, ohne damit gleich ein „Gegner“ zu sein.

Die Gefahr ist, dass die auf der Strecke bleiben, die aus politischen Gründen die Heimat verlassen mussten und gehofft haben „wo anders“ ein friedvolles Leben führen zu können. Die Gefahr ist aber auch, dass hier ein Problem entsteht, dass in einigen Jahren erst akut wird, weil es heute tabuisiert und nicht diskutiert werden darf, oder sofort von der einen oder anderen radikalen Partei zur Erringung der Macht oder Erhaltung benutzt wird.


Nun zu hier und uns:

Mendoza – San Carlos de Bariloche - El Bolson, fast zwei Monate immer den Anden an der Ruta 40 entlang. In Nationalparks übernachtet und mit Reisenden aber auch ausgewanderten Österreichern wunderschöne Abende am Lagerfeuer verbracht. Da bleiben Diskussionen wie die oben geführte nicht aus.



Wir wünschen eine schöne Vorweihnachtszeit und

stay in contact

Willi und Eva

 

 Hier wieder unsere Reise in Bildern.